Janine Seelen

Janine Seelen verbrachte die prägendsten Jahre ihrer Karriere als Grafikerin für angewandte Kunst in New York and San Francisco. Ihr Fokus lag hier, wie auch später in Hamburg, drei Jahrzehnte lang auf interdisziplinären Auftragsarbeiten.

Seit 2018 arbeitet Seelen ausschließlich frei künstlerisch.

Kunst, der schwerste Job, den ich je hatte.

Janine Seelen

Interview

von Lisa Hollogschwandtner

Wer bist du, Janine?

Das ist die große Frage, oder? Man ist ja nicht komplett, niemand ist jemals richtig komplett – ich würde also sagen ich bin auf dem Weg. Ich glaube Fragen wie „Wer bin ich?“, „Wozu bin ich da?“, „Was mache ich?“ und „Was ist der Grund für das alles?“ beschäftigen uns alle – und ich beschäftige mich intensiv damit in meiner Arbeit. Dabei geht es viel um Ursprünge und gar nicht nur um die Frage „Wer bin ich?“ sondern vielmehr „Bin ich überhaupt?“. Vielleicht kennen wir die Antwort darauf erst ganz zum Schluss… oder vielleicht auch nie.

Wie bist du zur Kunst gekommen?

Letztlich mache ich jetzt das, was ich schon immer machen wollte. Ich habe Grafikdesign studiert, mit dem Plan Werbefilme machen zu wollen. Bis ich für mich bemerkt habe, dass Werbung eigentlich gar nicht meins ist. Über Umwege bin ich dann in New York gelandet, ich hatte meine eigene Agentur – und irgendwann das Gefühl, dass ich etwas anderes machen muss. Meine Malerei basiert auf 25 Jahren Arbeit als Grafikdesignerin und ich bin überglücklich mit dem, was ich jetzt mache. Obwohl es der schwerste Job ist, den ich jemals hatte.

Warum ist das so?

Weil niemand mehr zwischen mir und meiner Arbeit steht. Da gibt es nur mehr mich – und die Auseinandersetzung mit meinem Motiv, mit meiner Idee, mit dem was ich transportieren möchte. In meiner Arbeit sehe ich sofort Resultate, auf jedem Blatt, das ich bearbeite. Wenn ich nicht gut drauf bin, oder ich mich nicht voll und ganz auf den Moment einlasse, dann wird das nichts, dann habe ich ein Problem. Das Problem ist aber niemals das Blatt – das bin nur ich selbst. Nachdem ich den Entschluss gefasst habe, dass ich als Künstlerin arbeiten möchte, habe ich ein Jahr lang gar nichts gemacht, weil ich mich erstmal sortieren musste. Mein Anspruch ist letztlich ja mit meiner Kunst Geld zu verdienen, genau wie der Bäcker, der Brötchen bäckt. Und wenn er schlechte Brötchen bäckt, dann kauft die niemand. Folglich habe ich auch für meine Kunst einen hohen Anspruch. Ich möchte keine schönen Bilder machen, die gefallen, sondern etwas bewirken.

Wann ist ein Bild fertig?

Wenn es dir nichts mehr sagt. Ich evaluiere das ganz genau: Ist die Komposition gut? Stimmen die Farben? Kann der Blick kreisen? Ich fotografiere meine Werke ab, mache sie ganz klein, drehe sie auf den Kopf spiegle sie. Irgendwann ist es einfach gut. Und dazwischen durchläuft man viele gute und schlechte Phasen. In dem Moment, in dem ich von einem Bild genervt bin, weiß ich, dass es auf einem guten Weg ist.

Was macht für dich „gute“ Kunst aus?

Wenn ich selbst Kunst kaufe, dann ist es meist so, dass ich etwas sehe und ich mich schockverliebe. Für mich ist es ein Zeichen für Qualität, wenn es ein Kunstwerk schafft, mich zu stoppen, mich dazu zu bringen kurz innezuhalten. Und, wenn es etwas in mir auslöst, es mit mir kommuniziert.

Deine Werke tragen immer eine besondere Bezeichnung…

Richtig, das ist immer ein Datum und eine zugehörige Uhrzeit, konkret von dem Moment, den ich male. Für mich hat meine Arbeit auch viel mit Erinnerungen zu tun, mit Bewusstsein, damit Momente ganz bewusst zu genießen und wahrzunehmen.

Welche Assoziationen hast du mit einer weißen Wand?

Neugestaltung, totale Freiheit – das mag etwas abgedroschen klingen, aber eigentlich hat das auch ganz viel mit Mut zu tun. Wenn ich die totale Freiheit habe, dann erfordert es ganz schön viel Mut etwas daraus zu machen. Irgendwie erinnert mich das auch an meine eigene Geschichte. Ich habe mit 54 Jahren ganz bewusst noch einmal neu gestartet und ich bin sehr dankbar für mein jetziges Leben, dafür das tun zu können, was ich schon immer tun wollte. Horror vacui, also Angst vor dem weißen Papier, habe ich jedenfalls nicht (lacht).

Werke

© Janine Seelen 27.09.2020, 07:57h, 2021
© Janine Seelen, 09.02.2021, 22:40h